Der Tag mit dem größten Horror und Glück

Anne/ Mai 4, 2014/ Aus dem Leben

Vor exakt 2 Jahren um 8:10 Uhr war es soweit. Der erste Schrei ertönte! Das war das schönste was ich je gehört hatte. Aber alles andere was damit verbunden war, war für mich der reinste Horror und ich habe noch heute mit diesem „Trauma“ zu kämpfen.
Aber mal alles von Anfang an:
Am 03.05.2012 musste ich bereits mittags in der Klinik sein. Aufnahme, Anästhesiegespräch usw. Mein Mann brachte mich hin und blieb bis zum Abend an meiner Seite. Zum Abendessen war ich schon allein. Aber er hatte mir den Laptop mit Internetverbindung dagelassen. So konnten wir noch chatten. Das TV-Programm konnte man vergessen. Nur ARD, ZDF und MDR. Todlangweilig an einem Donnerstagabend.
Die Nacht schlief ich sehr unruhig. Ich musste in einem der Räume des Kreissaals schlafen. Direkt neben einer automatischen Tür durch die die Schwestern in der Nacht alle paar Minuten liefen. Nerviges, lautes Geräusch!
Um 5 Uhr am 04.05.2012 erschien dann eine Schwester. „Aufwachen! Wir müssen Sie fertig machen!“ Ich hatte kaum geschlafen und sagte ihr das. „Oh, da hätten Sie doch klingeln können. Ich hätte Ihnen was zum Schlafen gebracht.“ Was denn? Die bei nicht wirkenden Baldrian-Tabletten? Nun war es auch zu spät. Die Schwester rasierte mich im Intimbereich…schon hier musste ich anfangen mein Schamgefühl zu unterdrücken…und verpasste mir einen Einlauf. Hattet ihr schon mal sowas? „Warten Sie 10 Minuten bevor Sie zur Toilette gehen!“ Äh, ich gab mir echt Mühe. Aber mehr als 5 Minuten ging echt nicht. Ein Höllenzeug. Anschließend durfte ich vorerst das letzte Mal duschen, dann noch die hübschen Thrombosestrümpfe und diese tollen Nachthemden, wo man nie weiß wie rum man sie anziehen darf (hatte es falsch rum an). Dann nach den Schwestern klingeln.
Sie holten mich samt Bett ab und rollten mich in einen der Entbindungsräume des Kreissaals. Dort erwarteten mich die Hebamme und eine der Ärztinnen. Ein Zugang musste gelegt werden. Auch das CTG wurde wieder mal angelegt. Also der Zugang war kein Kinderspiel. die Ärztin brauchte drei Versuche bis er so saß wie er sollte. Mein Arm war arg zerstochen und tat weh. Aber sobald es nach ihrer Zufriedenheit war wurden ein Wehentropf sowie Flüssigkeiten angeschlossen. Der Wehentropf sollte leichte Wehen auslösen, die wohl gut für das Baby wären. Es dauerte eine Weile, aber irgendwann merkte ich doch leichte Schmerzen im Bauch. Um 7 Uhr erschien dann auch der Papa. Er musste zwei Mal klingeln ehe er auf die Entbindungsstation gelassen wurde. Er blieb bis 8 Uhr bei mir. Bis man mich eben in den OP brachte, wo ich rechts und links von Schwester und Pfleger flankiert allein hingehen durfte. Waren die echt der Ansicht ich könne am Ende der Schwangerschaft nicht mehr allein laufen?
Im OP kam der wirkliche Horror. Meinen Mann konnte ich nicht mitnehmen. Der wäre aus den Latschen gekippt. Er kommt mit Krankenhäusern, Blut usw. nicht so klar. Jedenfalls war der OP-Tisch kein wirklicher Tisch. Sondern eine schmale Pritsche mit Kopfstütze, separaten Armlehnen links und rechts (damit man die Arme weit streckt) und … Beinstützen wie beim heißgeliebten Gynäkologischen Stuhl. Arg!!! Da musste ich mich nun drauf hiefen. Kaum lag ich, wurde alles um mich herum ausgerichtet. Also Schläuche, Kabel usw. Und schon musste ich mich auf die Seite drehen. Macht das mal auf so einem schmalen Ding mit ungewohnter Gewichtsverlagerung! Die Anästhesistin markierte mit einem Stift eine Stelle am Rückrat, dann betäubte sie die Stelle mit der ersten Spritze und dann setzte sie die Anästhesie. Tat alles nicht weh. War nicht schlimmer als ein Mückenstich. Also eine gute Ärztin.
Nur wenige Minuten (waren es denn Minuten…oder vielleicht doch nur Sekunden?) nach der gesetzten Anästhesie trat eine Ärztin zwischen meine Beine, die irgendwas nuschelte. Mein Schamgefühl war auf dem Nullpunkt. Sie legte den Katheter.
Und schon wurde alles abgedeckt, Tücher vor meinem Gesicht, der Bauch mit Desinfektionsmittel eingerieben…und die OP begann.
Im Raum standen gut 10 Leute, wenn nicht sogar mehr herum. Alles Frauen, nur ein Mann (Pfleger Stefan! Den vergessen wir wohl nie wieder). Und ich fühlte mich noch nie so allein. Alles lief routiniert ab. Keiner interessierte sich für mich. Ich war nur ein Stück Fleisch. Die Anästhesisten, die meine Werte im Auge behielt, sprach ab und an mit mir, musste sich aber auch um eine Praktikantin kümmern. Wie da an einem herumgezogen wird vergisst man nie. Man kann sich ja nicht bewegen. Alles ist taub oder festgebunden. Zudem dieses blöde Blutdruckgerät, dass sich alle paar Sekunden aufpumpt und unangenehm auf den Arm drückt. Die Ärztin hatte mir ja den Arm zerstochen. Nun lief die Infusion während der OP in meinem Arm regelrecht aus und ließ ihn anschwellen. Um 8:09 Uhr begannen sie ihn raus zu drücken. Waren wirklich nicht mal 10 Minuten vergangen seid man mich in den OP gebracht hatte? Im Nachhinein krass. Dieses Drücken tat trotz der Narkose arg weh. Und 8:10 Uhr ertönte der Schrei. Und schon kam die Hebamme mit einem kleinen blauem Bündel um die Ecke. Ich sah nur einen Fuß. Sie ziegte mir noch eine Millisekunde das Gesicht und zog schon von dannen, um sich um meinen frisch geborenen Sohn zu kümmern.
Bei Freunden war es stets so, dass sie trotz Kaiserschnitt das Baby auf die Brust gelegt bekamen. Im St.Elisabeth war es nicht so!
Ich musste noch 30-45 Minuten im OP bleiben. Man musste ja alles wieder zunähen. Und während der ganzen Zeit interessierte sich niemand für mich und mein Arm wurde weiterhin von dem Blutdruckgerät traktiert. Erst als die operierenden Ärzte (und ich bin noch heute davon überzeugt, dass beide Inderinnen waren) und die Schwestern mich zum Transport in den Kreissaal vorbereiteten merkten sie, dass mein Arm angeschwollen war. Der Zugang musste neu gelegt werden. Ich wollte es nicht. Aber man lies mir keine Wahl. Die Anästhesistin schaffte es auf Anhieb im anderen Arm.
Im Kreissaal sah ich dann meine Männer! Mein Mann hatte den Oberkörper frei. Nur sein Ehering hing an der Kette um seinen Hals. Und er hatte unseren in ein Handtuch gepackten Sohn im Arm. Ab und zu war ein Qietsche-Enten-ähnliches Geeräusch zu hören. Ich hatte Tränen in den Augen und mein Mann war der Stolz in Reinkultur.
Er wollte ihn erst nicht hergeben, aber irgendwann legte man ihn zu mir ins Bett. Wir kuschelten eine ganze Weile und der stolze Papa informierte alle Verwandten, dass unser kleiner Sonnenschein da wäre.
Also die OP war furchtbar. Aber immer wenn ich in das Gesicht meines Kleinen schaue denke ich mir: „Du bist alle Qualen wert!“
Dennoch wäre mir eine natürliche Entbindung lieber gewesen. Da wären die Schmerzen dank der Hormone schnell vergessen gewesen.

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Über Anne

Teilzeit-Alleinerziehend, Teilzeit-arbeitend, manchmal überfordert, Mama eines zuckersüßen Buben, Soldatenfrau, ein wenig verrückt und mit ganz viel Herz ausgestattet.